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Februar 2016

Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Matthäus 18.5

By Tune In No Comments

In dieser Woche findet in Birmingham die internationale “Crescendo Musiklehrer-Konferenz” statt. In einem Grusswort an die Konferenzteilnehmer schreibt Helena Maffli, die Präsidentin der EMU (= European Music School Union, welche 6000 Musikschulen, 150.000 Lehrer und 4 Millionen Studenten repräsentiert):

Alle Musiklehrer, wo immer sie tätig sind, erfüllen einen Auftrag, der für unsere Gesellschaft enorm wichtig ist. Musikalische Erziehung fördert nicht nur die einzelne Persönlichkeit, sondern legt auch die Grundlage für das ganze musikalische Leben in der Gesellschaft, zu denen Aufführungen, die Schaffung neuer Werke, die Herausgabe und Produktion von Musik und die Gewinnung eines Publikums gehören. Wenn es nicht gerade um das Wirken weltberühmter Professoren geht, schafft es die wichtige erzieherische Tätigkeit der Musiklehrer und –Lehrerinnen nur höchst selten in die Schlagzeilen. Viele Musikpädagogen arbeiten sogar unter schwierigen Umständen und sind oft isoliert. Deshalb ist die Crescendo-Konferenz zum Thema „Musikpädagogik – Gabe und Berufung“ eine wunderbare Initiative. Sie geht über die üblichen Lehrer-Treffen hinaus, da sie dazu einlädt, „von der Quelle zu trinken“. Ich wünsche der Konferenz und eurem Werk Gottes Segen, Gelingen und Befriedigung.
Und in einem Begleitschreiben fügt Helena Maffli hinzu: Es geht in eurer Konferenz um die pädagogische Arbeit, welche die Basis für alles andere bereitet. Davon ist viel zu wenig die Rede.“

Tatsächlich wird die tägliche pädagogische Arbeit nicht so bejubelt wie das Konzert eines Solisten. Ebenso fällt auf die treuen Lehrer anderer musischer Fächern kaum je der Glanz ihrer Zöglinge, wenn diese zu Stars auf der Tanz- oder Schauspielbühne oder zu grossen Namen auf den Kunstmessen dieser Welt werden.
Umso wichtiger ist, dass wir als Christen auch hier wieder einmal das „Oben“ und „Unten“ umkehren und den Lehrern zumindest ebenso viel Wertschätzung entgegenbringen wie den erfolgreichen „Stars“.

Jesus selber war ein Lehrer. Und er hat in seiner Lehrtätigkeit die gängigen Werte-Kategorien auf den Kopf gestellt. In einer seiner verblüffendesten Lektionen machte er sogar die Kinder zu Lehrern. Ausgerechnet Kinder! Die Kindheit galt in der antiken Welt als „Phase menschlicher Unvollkommenheit”. Und Kinder standen in der Familienhierarchie auf der untersten Stufe . Das griechische Wort für Kind, pai`“, konnte auch Sklave bedeuten.
Wir kennen die Geschichte: Jesus hörte, wie die Jünger die Frage diskutierten: „Wer ist der Größte im Himmelreich?“ Das heisst: Die Jünger hatten begriffen, dass mit Jesus ein neues Reich anbrach – das Reich Gottes. Und dass damit irgendwie auch die gängigen Vorstellungen von „bedeutsam“ und „unwichtig“ erschüttert sind. Aber wie sollte man diese nun neu definieren? Die Antwort von Jesus war schockierend: „Wahrlich ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“

Dazu 7 Beobachtungen:
1. Jesus nimmt dieses Kind als Subjekte wahr, nicht als Objekte.
2. Jesus lobt nicht, dass Erwachsene Kinder erniedrigen. Er lobt, dass Kinder sich selber erniedrigen, das heisst: dass sie nicht gross von sich denken.
3. Die Erwachsenen müssen nicht kindisch werden, sondern in diesem Sinn kindlich, dass sie nicht „gross“ von sich denken. Dazu brauchen sie eine Umkehr.
4. Egozenrisches Streben nach Grösse, Macht und Bedeutsamkeit sind mit dem Reich Gottes nicht kompatibel. Auch das Streben nach Reichtum nicht. (siehe Matthäus 19). Nur Gott kann durch seine Gnade letztlich Unmögliches möglich machen und diese Menschen zur Umkehr führen und ins Himmelreich hinein retten (Matthäus 19,26).
5. Jesus identifiziert sich mit Kindern. (Wohlvermerkt: Mit Kindern, die noch im besten Sinn „kindlich“ sind und nicht schon „kleine egoistische Erwachsene“.)
6. An anderer Stelle (Lukas 18 / Matthäus 19 / Markus 10) sagt Jesus, man müsse das Himmelreich annehmen wie ein Kind. Darin steckt: Man muss es annehmen als unverdientes Geschenk, nicht als Lohn seiner eigenen Leistung, auf die man sogar noch stolz sein könnte.
7. Jesus benutzt Kinder nicht einfach als Anschauungs-Objekt, sondern er spricht die Mahnung aus, sich um Kinder zu kümmern. Darauf folgt dann eine harte Warnung, nachzulesen in Matthäus 18, 6.

Soweit diese Beobachtungen zum Text. Wer hätte besser nun Gelegenheit, Jesus in einem Kind „anzunehmen“ und ihm zu „dienen“ als Lehrer, zum Beispiel eben Musiklehrer?
Aber ich habe noch allzu gut die Worte einer Musikstudentin im Ohr, die mir kürzlich klagte: „Meinem früheren Professor ging es nie um mich. Er wollte, dass ich gut bin. Aber nur, damit er selber gross herauskommt. Ich selber fühlte mich dadurch unterdrückt.“ – Das heisst: Auch Lehrern kann es nur um die eigene Grösse gehen. In Matthäus 23,6 kritisiert Jesus die Haltung jener Lehrer, die ihren Ruf geniessen. Sie brauchen eine Umkehr!

Wir alle brauchen immer wieder diese Umkehr. Wir alle müssen wieder bei den Kindern in die Schule. Erst dann werden wir Nachfolgen Jesu. Und erst werden wir selber zu guten Lehrern. Und sollte Gott einem Künstler zumuten, dass er einmal ein „Star“ wird, dann darf auch dieser immer wieder umkehren. Das kann dann heissen, dass er dem Lehrer seiner ersten Musik- oder Tanz- oder Malstunde einmal einen Dankesbrief schreibt. Oder dass er in eine Schule geht und ein paar Unterrichtsstunden gibt – dorthin, wo sein Name nicht bekannt ist. Aber wo sein bescheidener Charakter zählt.

Text: Beat Rink

Kann man mit Künstlern heute noch über den Glauben reden?

By Tune In No Comments

Ein lieber Freund hat mir nach dem letzten TUNE IN-Text, in dem Bezug genommen wurde auf Alfred Döblins Bekenntnis zum christlichen Glauben, eine Mail geschickt. Es ist der Künstler Stephan Jon Tramèr, dessen Homepage man mit grossem Gewinn besucht (http://www.stephan-jon-tramer.ch).
Hier ein Auszug aus seiner Mail, die sehr zum Denken anregt:

Vielen Dank für die Döblin-Geschichte. Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Ich schäme mich aber immer wieder über mich selbst. Und ich versuche bei sich bietender Gelegenheit dennoch, das Evangelium zu vertreten. Die Feststellung ist jedoch diese, dass eine seltsame Indifferenz herrscht. Man attestiert mir sogleich „Intoleranz“, „Fundamentalismus“ gar, „Abgabe der Eigenverantwortung an eine höhere Instanz“, „Jenseitsvertröstung“ usw. Und dabei bleibt es. Ich habe mich in der vergangenen Zeit oft mit dem Atheismus und seinen Formen beschäftigt. Daran komme ich nicht vorbei. Zuletzt habe ich das bekannte Buch von André Comte-Sponville „Woran glaubt ein Atheist? Spiritualität ohne Gott” gelesen….

Wenn es denn zu einem Gespräch über den Glauben mit Künstlerkollegen kommt, bleibt man unweigerlich in den verschlungenen Gedankengängen der Philosophie stecken. Es ist sehr schwer, da heraus zu finden. Ich habe bemerken müssen, dass Kenntnisse der Philosophie aus meiner Sicht zwar wichtig sind, weil sie unsere Zeit und das Denken bis in die jüngste Zeit hinein erhellen können. … Andernteils kann ich damit das Evangelium nicht apologetisch dagegen stellen. Es führt zu rein gar nichts. Es finden eigentlich mit Kollegen gar keine Debatten statt. Jeder steht in seinem Revier fest vernagelt und es gilt: Lass mich mit meinem Atheismus in Ruhe und ich lass dir deinen Glauben. Beide können wir „anständige“ Menschen sein. Und da steht man dann wieder auf Feld eins und das Ganze beginnt bestenfalls von vorn. Es gibt keinen, der sich durch das Evangelium beunruhigen liesse…

Bibelkenntnisse sind auch kaum mehr vorhanden und werden auch nicht gesucht. Das habe ich meinen Gesprächspartnern oft vorgeworfen. Denn ihre Helden (Kant, Nietzsche) waren soweit ich es kenne, einigermassen noch bibelfest. Diese Ignoranz macht mich oft wütend. Und zuletzt strande ich bei mir selbst und denke, dass ich ein schlechter Christ bin, weil mich meine inneren Widersprüche und Ambivalenzen nicht tauglich machen, das Evangelium zu vertreten. Dies führt aber auch nicht weiter. Ich kann mich nur täglich von Neuem an Jesus Christus wenden…“

In seiner Mail schneidet Stephan Jon Tramèr noch andere Themen an. Als bildender Künstler fehlt ihm zum Beispiel jener starke Anknüpfungspunkt, wie sie Musiker in den geistlichen Werken etwa eines Bach haben. Und er schliesst mit den Worten: „Warum sind sowenig glaubende Künstler Vorreiter im Sinne der alten Avantgarde? Ich versuche nur zu formulieren, dass ich mich oft hilf- und ratlos fühle, das Evangelium zu vertreten, weil es wie an eine Wand gefahren wird. Und schliesslich gibt es durch diese Taubheit auch so selten die Möglichkeit, evangelisch zu argumentieren oder die „Frohe Botschaft“ weiter zu geben.“

Was tun? Haben wir dieselben oder ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder vielleicht andere, ganz positive? Ich lade gern ein zu einer Diskussion – etwa auf der TUNE IN-Facebook-Seite. https://www.facebook.com/TUNEINs/?fref=ts

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort hervorheben, das in dieser Email steht: „Ich kann mich nur täglich von Neuem an Jesus Christus wenden“. Darum geht es gerade!
Mir hilft oft in solchen scheinbar ausweglosen Sackgassen, zurückzukehren zu den einfachen Worten eines Vater Unser. Ich bete dann die drei ersten Bitten:
Dein Name werde geheiligt“ – auch gerade dort, wo man deinen Namen nicht mehr kennt oder nur negativ nennt.
Dein Reich komme“ – auch gerade dort hinein, wo ein anderes „Reich“ da ist. Es muss gar kein schlechtes Reich sein, sondern es kann darin sehr viele gute Dinge darin haben. Aber trotzdem fehlst Du darin. Deshalb ist es noch nicht „Dein Reich“.
Dein Wille geschehe“ -– auch gerade im Leben jener Menschen, die Dich nicht kennen. Lass sie Deinen Segen erfahren! Amen

Text: Beat Rink

Ein Skandal in Santa Monica

By Tune In No Comments

“Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der daran glaubt…” (Römer 1,16)

Anlässlich des 65. Geburtstages von Alfred Döblin traf sich am 14. August 1943 – im kleinen Theatersaal von Santa Monica (Kalifornien) ein illustrer Kreis von deutschen Emigranten, vor allem Schriftsteller. Alfred Döblin war der Verfasser des vielgepriesenen expressionistischen Romans „Berlin Alexanderplatz“. Unter den Gästen befanden sich Bertolt Brecht, seine Frau Helene Weigel, die Brüder Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und der Komponist Hanns Eisler. Man feierte zusammen. Doch dann geschah etwas Schockierendes. Döblin erhob sich und bekannte, dass er, der jüdische Intellektuelle, zum christlichen Glauben gefunden habe und katholisch getauft worden sei. Es kam zum Eklat. Einige Gäste verließen sogar die Feier, ohne sich zu verabschieden. Einige Tage später schrieb Berthold Brecht ein Gedicht über dieses Erdbeben im Kreis der Intellektuellen.

Die Stimmung war gerührt. Das Fest nahte seinem Ende.
Da betrat der gefeierte Gott die Plattform, die den Künstlern gehört
Und erklärte mit lauter Stimme
Vor meinen schweißgebadeten Freunden und Schülern
dass er soeben eine Erleuchtung erlitten habe und nunmehr
Religiös geworden sei und mit unziemlicher Hast
Setzte er sich herausfordernd einen mottenzerfressenen Pfaffenhut auf
Ging unzüchtig auf die Knie nieder und stimmte
Schamlos ein freches Kirchenlied an, so die irreligiösen Gefühle
Seiner Zuhörer verletzend, unter denen
Jugendliche waren.
Seit drei Tagen
habe ich nicht gewagt, meinen Freunden und Schülern
unter die Augen zu treten, so
Schäme ich mich.

Dieses Gedicht wird im allgemeinen als ein Schmähgedicht auf Döblin gelesen. Ich bin mir da nicht so sicher. Zu deutlich wird darin die unverhältnismässig starke Reaktion der intellektuellen Elite aufs Korn genommen, die das Bekenntnis “unzüchtig”, „schamlos“ und „frech“ findet, die sich in ihren “irreligiösen Gefühlen” verletzt sieht und die am liebsten auch die „Jugendlichen“ vor dieser ungebührlichen Handlung fernhalten möchte.
Berthold Brecht war ein profounder Bibelkenner. Auf die Frage, welches sein Lieblingsbuch sei, hatte er einmal geantwortet: “Sie werden lachen, die Bibel”. Deshalb wird er bei seiner letzten Zeile bestimmt an Römer 1,16 gedacht haben. Im Unterschied zu Paulus schämt sich aber das “lyrische Ich”. Wofür es sich genau schämt, bleibt aber in der Schwebe. Die Scham gilt kaum nur dem Bekenntnis von Alfred Döblin, sondern wohl ebenso sehr auch der intoleranten Haltung von Brechts Kollegen und Studenten. Schwingt vielleicht sogar eine heimliche Bewunderung für Döblin mit? Jedenfalls leistet das Gedicht etwas Besonderes: Es deckt eine anti-religiöse Intoleranz auf, wie sie unter Intellektuellen des 20. Jahrhunderts Mode war – und weiträumig ins 21. Jahrhundert hinein vererbt wurde.
So gelesen, spornt das Gedicht von Brecht zum Widerstand gegen diese Intoleranz auf und ermutigt dazu, sich für seinen Glauben nicht zu schämen.

Fragen (vielleicht für eine Diskussion in einem Künstlerkreis):
Wie und wo kann ich selber (gerade auch als Künstler) mit Paulus sagen: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht“?
Erfahre ich überhaupt, dass es in meinem Leben eine „Kraft Gottes“ ist? Wie?

Text: Beat Rink