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Juli 2015

TUNE IN 134: Künstler in der Kirche / Teil VII

Künstler in der Kirche / Teil VII: “Kunst aus christlicher Sicht” (2/2)

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Es gilt, die konfliktreiche Seite des Verhältnisses von Kunst und Kirche ohne einseitige Schuldzuweisungen aufzuarbeiten. Es gibt noch allzu viele Vorurteile und Verletzungen auf beiden Seiten. Wie kann diese Aufarbeitung geschehen?

Der Schriftsteller András Visky liest ein Gedicht in der KIRCHE KREATIV im “Crescendo Sommerinstitut” am Samstag, den 25. Juli  2015 in Tokaj, Ungarn.

Lösungsansatz 1: Einsicht in die Stärken und Schwächen der anderen Seite  Ein erster Schritt würde dort gemacht, wo Kunst und Kirche den Charakter der jeweils anderen Seite entdecken. Um wenigstens stichwortartig einige Aspekte zu nennen:

Einsicht auf der Künstler-Seite Die Kirche hat die Kunst über Jahrhunderte gepflegt. Es besteht keine grundsätzliche Kunstskepsis in der Kirche. In der heutigen Kirche herrscht aber weitgehend ein Mangel an Kunst-Kenntnis. Es bedarf liebevoller Geduld, das Interesse für diesen “vergessenen Bereich” zu wecken und die Gemeinde ästhetisch zu prägen. Es gibt viele andere Bereiche in einer Kirche, die der Pflege bedürfen. Umso mehr ist Langmut gefragt – und vielleicht auch die Mitarbeit der Künstler in einem dieser anderen Bereiche.

Einsicht auf der Kirchen-Seite: Künstler leiden unter einer minderwertigen Gemeindekunst. Sie sind Fachpersonen, die in ästhetischen Fragen beratend beigezogen werden sollten.

Künstlerisches Schaffen ist ein oft unter Entbehrungen ausgeübter Beruf; die Entlöhnungsfrage ist deshalb ein wichtiges Thema. Zugleich ist das künstlerische Schaffen mehr als ein Beruf. Es ist eine intensiv gelebte ­und manchmal durchlittene Existenzform. Ein Künstler bedarf kreativer Freiräume und immer wieder auch Zeiten des Rückzugs, was manchmal als individualistische Abschottung missverstanden wird.

Der Künstler braucht das Zugeständnis eines innovativen Freiraums, in dem auch “Unorthodoxes” entstehen darf. Die Gestaltung scheinbar weltlicher Themen ist noch keine Absage an den Glauben. In seinem Ringen ist der Künstler auf Verständnis und Ermutigung angewiesen. Das Angewiesen-Sein auf Lob ist noch keine stolze Abkehr von der “Soli Deo Gloria“-Haltung.

Die Ausrichtung eines Künstlers auf die weltliche Kunstszene ist noch keine Absage an die Gemeinde; vielmehr findet er dort seine künstlerischen Qualitätsmassstäbe und ein Verständnis, das er in der Kirche oft vermisst. Künstler sind generell kreative Köpfe; warum sie nicht einladen, auch für andere Gemeindebereiche mitzudenken?

Lösungsansatz 2: Einsicht in die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit   Ein zweiter Schritt würde dort gemacht, wo Kunst und Kirche merken, dass sie eine segensreiche  Allianz eingehen können.

Denn auf der einen Seite brauchen Künstler die begleitende und betende christliche Gemeinschaft – sowohl innerhalb der Kirche wie auch in christlichen Künstler-Netzwerken. Die Herausforderungen im Kunstmarkt (Konkurrenzdruck, finanzieller Überlebenskampf) und manche innerpsychischen, potenziell Stress verursachenden Faktoren wie Perfektionismus und Sensibilität können belastend sein.

Dazu mag kommen, dass sich der christliche Kunstschaffende aufgrund seines Glaubens isoliert sieht, weil der Glaubensbezug in seinem Schaffen auf Unverständnis stösst oder weil er sich gegenüber mondänen Tendenzen in der Künstlergemeinschaft abgrenzt.

Auf der anderen Seite braucht die Kirche das kritische und kreative Ferment der Künstler. Zudem weiss sie, dass sie ohne Kunstverständnis und Kunst-Pflege nach innen hin verarmt und nach aussen hin weniger “attraktiv” ist. Sie erkennt, dass die Werke geistlicher Musik, Literatur, Malerei oder Architektur zu den unverzichtbaren geistlichen Schätzen unserer Kultur gehören, die – wie kaum eine andere Verkündigungsform – immer noch grosse Strahlkraft entfalten. Und schliesslich begrüsst sie, wenn christliche Künstler in der säkularen Kunstszene präsent sind und dort ein Stück “Reich Gottes” bauen helfen. Vielleicht könnten in speziellen Begegnungsforen – in Verbindung mit theologischen Symposien – Künstler und Kirchenverteter aufeinander zuzugehen.

Lösungsansatz 3: Konkrete Zusammenarbeit  Ein dritter Schritt würde zur konkreten Zusammenarbeit führen: zum Einbezug von Künstlern in die Kirche, in die Gottesdienste, in die Gestaltung der Kirchenräume, in die nach aussen gerichtete Arbeit, in die Freizeitgestaltung. (Dies kann wohl nur durch strukturelle Massnahmen geschehen, zum Beispiel durch die Einsetzung eines Gemeinde-Arbeitsbereichs “Kunst”, der von professionellen Künstlern oder profunden Kunstkennern geleitet wird.)

Der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den erwähnten Künstlernetzwerken und Künstlerinitiativen dürften nicht vernachlässigt werden, weil dort solche Fragen seit langem diskutiert und praktische Modelle erprobt werden. Finden Kunst und Kirche wieder zusammen, wird das Wort des Schriftstellers Gottfried Benns (1886 – 1956) hoffentlich endlich widerlegt werden, dass “Glaube ein schlechtes Stilprinzip” sei.


Dieser und der vorherige TUNE IN-Beitrag zu “Künstler in der Kirche / Teil VI” stammt aus der Stellungnahme zu “Kunst aus christlicher Sicht”, die ARTS+ und die Schweizerische evangelische Allianz veröffentlicht haben. | TUNE IN 134 vom 27. Juli 2015 | Unser Text ist von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier

TUNE IN 133: Künstler in der Kirche / Teil VI

Künstler in der Kirche / Teil VI: “Kunst aus christlicher Sicht” (1/2)

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Die beiden nächsten Weitere TUNE INs findest Du hier-Beiträge zu “Künstler in der Kirche” entnehmen wir der Stellungnahme zu “Kunst aus christlicher Sicht”, die ARTS+ und die Schweizerische Evangelische Allianz veröffentlicht haben.  

1. Kunst im Dienst der Kirche  Der Blick in die Kunst- und Kirchen-Geschichte zeigt: Kunst bringt Schönheit hervor und kann damit auf wunderbare Weise Gott loben und ins Gotteslob hineinführen. Denken wir an die Musik Bachs! Kunst kann, ohne manipulativ zu wirken, die biblische Botschaft auf interessante Weise darstellen und zum Nachdenken und Glauben anspornen. Read More

TUNE IN 132: Künstler in der Kirche / Teil V

Künstler in der Kirche / Teil V: “Offene Kunstwerke im Gottesdienst?”

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Wie Umberto Eco* (links unten im Bild) in einem bahnbrechenden Buch ausführt, sind viele moderne Kunstwerke in einer dreifachen Weise offen:

1. Sie sind „in Bewegung“ (wie die Mobiles von Alexander Calder) und bieten dem Betrachter an, das Werk mit zu gestalten.

2. Sie sind offen für ständige Neuknüpfungen von inneren Beziehungen, wie es zum Beispiel der  Hörer einer seriellen Komposition erlebt. In einer “multipolaren Welt” ohne absolutes Zentrum schafft er sich hörend eine eigene Struktur.

3. Sie sind offen für eine unendliche Reihe möglicher Lesarten. Sie machen sich geradezu verfügbar für verschiedene Interpretationen und bieten selber nicht unbedingt eine bestimmte Deutung an. Die Romane von Franz Kafka oder ein Bild von René Magritte kann man zum Beispiel nicht so eindeutig interpretieren wie einen Roman (oder ein Bild) aus dem Barock, die vielleicht auf den ersten Blick ebenso verwirrend sind, aber auf einer klaren Zuordnung von Bildern und Bedeutung beruhen.

Dass Kunstwerke heute “offener” sind als in früheren Jahrhunderten, ist ein Phänomen der “modernen Zeit”. Eco legt dar, dass zwischen Aufklärung und Romantik die Idee der “reinen Poesie” aufkommt. Dahinter steht eine Ablehnung allgemeingültiger Ideen und abstrakter Gesetze (durch den englischen Empirismus) und eine neue Auffassung von künstlerischer “Schöpfung”. Aber erst nach der Romantik, im Symbolismus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, entsteht eine bewusste “Poetik des offenen Kunstwerks”.

Bevor wir nach dem Ort des “offenen Kunstwerks” in der Kirche fragen, müssen wir klären: Wie stellt sich nun von christlicher Seite das “offene Kunstwerk” dar? Um plump zu  fragen: Können Christen “offene Kunstwerke” schaffen, wo sie doch daran glauben, dass es eine “zentrale Wahrheit” gibt? Können sie hinter die weltanschaulichen Positionen des Empirismus  zurückgehen?

Wenn wir davon ausgehen müssten, dass jedes “offene Kunstwerk” zugleich kommuniziert, dass es keine allgemeingültige Wirklichkeit und Wahrheit geben kann, so hätten Christen tatsächlich ein Problem. Aber dies wäre ein ebenso fataler gedanklicher Kurzschluss wie die Behauptung, dass Musikinstrumente mit heidnischem Hintergrund (oder Rockmusik aus nicht-christlichen Quellen) nicht von Christen adaptiert werden können, weil damit immer auch eine heidnische Botschaft transportiert wird.

Die Sprache des “offenen Kunstwerks” – oder besser: eines Kunstwerks, das verschiedene Deutungen zulässt – ist nichts Verwerfliches. Jedes instrumentale Musikstück ist schliesslich “deutungs-offen”.

Wie lässt sich nun ein “offenes Kunstwerk” in der Kirche zeigen oder aufführen? Welchen Ort kann es u. U. in einem liturgischen Rahmen einnehmen? Dazu vier Punkte:

1. Dass ein Kunstwerk “offen” ist, sagt noch nichts über seine Qualität aus. Ein Kunstwerk ist nicht einfach besser, je offener es ist. Und umgekehrt gibt es weniger offene Kunstwerke (zum Beispiel die, in einem früheren TUNE IN vorgestellten, Bibelillustrationen von Kees de Koort), die sehr gut sind!

2. Es ist trotzdem wichtig, dass die Kirche ein Verständnis für “offene Kunstwerke” entwickelt und nicht allein Kunst fördert, die eine bestimmte Aussage oder Geschichte der biblischen Botschaft respektive der Predigt “illustriert”.

Die Sprache der heutigen Kunst ist vielen Christen fremd – und entsprechend ungeduldig kann die Reaktion auf ein Werk sein, das sich nicht unbedingt dem unmittelbaren Verständnis erschliesst. Ich selber habe mit eigenen poetischen Texten gerade in christlichen Kreisen immer wieder die Frage gehört: “Was meinst du damit?” Es schien mir, die Bitte um Erklärung war ein Alibi für die Mühe, den Text auf sich wirken zu lassen und sich ihm mit etwas Geduld anzunähern.

3. Wie überall, wo Kunst in der Kirche Eingang finden soll, muss sorgfältig ausgewählt werden, welches Werk in welchen Rahmen “passt”. Das heisst: Es muss ein Hör-Raum und ein Seh-Raum (bzw. ein geeignetes Zeit-Fenster) dafür gefunden werden. Und auch die Atmosphäre und die Aussage(n) eines Werks wollen bedacht sein.

Zweifellos ist nicht jedes Werk für einen kirchlichen Kontext, z. B. einen Gottesdienst,  geeignet. Ein Gottesdienst hat eine bestimmte inhaltliche Richtung, und es wäre fatal sowohl für den Gottesdienst als auch für die Kunst, wenn es darin ein Fremdkörper wäre.

4. Unter Künstlern besteht oft der Vorbehalt: “Kunst, die sich auf die biblische Botschaft bezieht, ist illustrativ, propagandistisch und inhaltlich allzu eindeutig.” Dahinter steht ein Missverständnis, das möglicherweise auf ein verkürztes Bibelverständnis in den Kirchen zürückgeht.

Denn: Gerade die Bibel ist ein “offenes Kunstwerk”! Dies nicht im Sinn beliebiger Interpretierbarkeit, sondern so: Wir erfahren doch immer wieder, dass das Wort der Bibel auf überraschende Weise spricht – und wirkt.

Heute spricht und wirkt es anders als gestern – und darum werden wir es auch morgen wieder erwartungsvoll zur Hand nehmen. Nicht selten entfaltet sogar genau der gleiche Text, neu gelesen, eine andere Bedeutung und Lebenskraft.

So hat das Bibelwort eine Dimension, die kein Menschenwort je erreichen kann. Es ist zwar nicht nach allen Seiten hin offen und beliebig interpretierbar, aber es ist vertikal nach oben hin offen und Gott wirkt dadurch in eine Tiefe der Seele – und der Geschichte hinein – wie kein anderes Wort oder Kunstwerk. Also wird auch gelten, dass von der biblischen Botschaft inspirierte Kunst nicht zwingend eindimensional und “flach” ist.

Die Kirche müsste sich demnach üben, auf einen vielschichtigen Text zu hören. Sie müsste zum Beispiel auch nicht-seichte Musik schätzen lernen. Sie müsste visuelle Kunst fördern oder ein Theater- oder Tanzstück loben, die nicht eindimensional sind.

Dies eben deshalb, weil sie auch mit dem vielschichtigen Bibelwort subtil und nicht eindimensional verfährt. Und weil sie weiss: Gott redet und wirkt immer wieder auf nicht-vorhersehbare Weise durch sein Wort. Und er kann auch durch ein Kunstwerk reden!!!

Und der Künstler? Er darf seinerseits entdecken, dass das Bibelwort nicht eindimensional ist, sondern ein nach oben hin “offenes Kunstwerk”.

Fragen:

  • Wo haben “offene Kunstwerke” in der Kirche Platz?
  • Wie erfahre ich selber das Bibelwort?
  • Als offen und vielschichtig?

Übung, die wir kürzlich in einem Künstlerkreis machten:

  • Nimm einen Bibeltext zur Hand, z. B. Johannes 6,1-15.
  • Lies ihn still – mit dem Gebet, dass Gott zu dir durch ein bestimmtes Wort oder Bild spricht. Was  “leuchtet” darin auf?
  • Lies ihn noch einmal mit der Bitte: Zeig mir, welche Stimmung mit diesem Wort verbunden ist.
  • Lies ihn ein drittes Mal mit der Bitte: Zeig mir, was das für mich bedeuten könnte. 

* Umberto Eco: “Das offene Kunstwerk” (Opera aperta), 1962 | TUNE IN 132 vom 13. Juli 2015 | Unser Text ist von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier

Miriam Feuersinger erhält aus den Händen von ARTS+ Präsident Beat Rink den PrixPlus 2015. Bild: Georg Rettenbacher

ARTS+ PrixPlus 2015 für Miriam Feuersinger und “Winterthurer Passion”

By Presse, Neuigkeiten, Kulturfenster, PrixPlus No Comments

Der PrixPlus 2015 geht an die  Sopranistin Miriam Feuersinger, den ARTS+ Förderpreis 2015 erhalten die Organisatoren und Künstler der “Winterthurer Passion”. Die feierliche Verleihung der beiden Preise fand am 6. Juni 2015 auf der Werkbühne in der ARTS+ Lounge an den Christlichen Musiktagen in St. Gallen (OLMO-Areal) im Beisein der Kunstschaffenden statt.

Weitere Bilder zu den beiden Preisverleihungen sowie zur ARTS+ Künstlerlounge hier… Read More

Künstler in der Kirche / Teil IV: “Künstler im Gottesdienst – Propheten, Zungenredner, Ausleger?”

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Fortsetzung von TUNE IN 130: 1. Korinther 14 (1-5) / 26-29

III. Paulus gibt praktische Ratschläge: Es braucht in der Gemeinde eine Auslegung der Zungenrede (darunter versteht man unverständliches Sprechen, insbesondere im Gebet [die Red.] – s. dazu auch TUNE IN 130) und einen geordneten Vortrag der Zungenrede selber: “So jemand mit Zungen redet, so seien es ihrer zwei oder aufs meiste drei, und einer um den andern; und einer lege es aus. Ist aber kein Ausleger da, so schweige er in der Gemeinde, rede aber sich selber und Gott.“
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