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Dezember 2013

TUNE IN 52: Matthäus 2,11

Matthäus 2,11

By Tune In No Comments

“Sie (die Magoi= Sterndeuter, Wissenschafter, Weisen aus dem Osten) gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe…“.

Betrachten wir diese Bibelstelle zusammen mit dem Bild: Der Scherenschnitt (aus der Hand meiner Mutter, die eine bildende Künstlerin war) hält einen interessanten Moment fest: Die Könige (in der Bibel: die Weisen) sind gegangen und haben ihre Kronen (in der Bibel: ihre Schätze) zurückgelassen.

Sie haben das Kind angebetet und die Zeichen ihrer Macht vor dem „wahren König“ niedergelegt. Jetzt sind sie wieder gegangen. Als Arme, ihrer Macht Entkleidete? Nein, wir können vermuten: als selber Beschenkte. Denn sie haben etwas gefunden, das mehr wert ist als aller Reichtum. Jesus wird später sagen: „Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es gewinnen.“ (Matthäusevangelium 16,25).

Wir lesen interessanterweise nirgends, dass Maria und Joseph über die Geschenke hocherfreut waren und dass sie danach schöne „Weihnachten“ feiern konnten. Vielleicht lagen die Schätze danach so unaufgeräumt im Stall herum wie auf dem Bild… Auch Maria und Joseph suchten nicht die eigene Ehre.

Wir lesen vielmehr, dass bald danach die heilige Familie aufbrechen und nach Ägypten fliehen musste. Die Schätze haben die irdischen Machthaber auf den Plan gerufen… In einer der letzten TUNE INs haben wir Bonhoeffer zitiert: „Wer vor Gott die Knie beugt, wird sie vor keinem anderen beugen.“ Man kann weiter formulieren: „Wer vor Gott die Knie beugt, handelt sich leicht die Feindschaft derer ein, die Verehrung suchen. Er reizt jeden menschlichen Ehrgeiz zum Widerstand…“ Wo erleben wir das – gerade als Künstler, die unter ihr Werk „Soli Deo Gloria“ schreiben?

Maria scheint sich weder über die Schätze zu freuen noch Sorgen über die Zukunft zu machen. Sie geniesst die innige Gemeinschaft mit dem Kind. Weihnachten stellt sich wohl dort ein, wo uns dasselbe gelingt – inmitten aller schönen Feiern und Geschenke. Wenigstens für ein paar stille Augenblicke.


 

Tune In vom 24. Dezember 2013 | Text: Beat Rink | Scherenschnitt: Helene Rink-Keller

Lukasevangelium 2, 7

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„Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ In diesen Worten steckt der erste Skandal rund um den Sohn Gottes. Es gibt für ihn und seine Eltern keine nur annähernd anständige Unterkunft. Darum wird seine Wiege ein erbärmlicher Futtertrog.

Das ist natürlich alles kein „Zufall“, sondern von Gott so eingerichtet. Es ist ein Zeichen dafür, dass er sich radikal zu uns herunterbeugt und wie ein „gewöhnlicher“ Mensch wird. Dasselbe lesen wir im ersten christlichen Hymnus im Philipperbrief 2,7: „Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, wurde gleich wie ein andrer Mensch…“.
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Lukasevangelium 15,11-32

By Tune In No Comments

„Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört…“

Der Advent ist neben der Passionszeit eine Fastenzeit, eine Zeit des Wartens und Ausharrens. Viele alte deutsche Adventslieder beschreiben sie, ausgehend von biblischen Bildern und Metaphern, mit den Worten „Tochter Zion“, „Es kommt ein Schiff geladen“ usw.

Wie ergeht es uns in dieser Zeit? Sicherlich sind viele von uns fleissig dabei, adventliche und vorweihnachtliche Musik zu gestalten. Haben wir dann überhaupt noch Gelegenheit und eine gweisse innere Bereitschaft, zu warten, etwas zu erwarten?

Jesus erzählt vom Warten – und von enttäuschten Erwartungen – in der Geschichte vom verlorenen Sohn.

1) Der Vater wartet im Stillen auf die Rückkehr seines jüngeren Sohnes. Wir lesen nichts von diesem Warten, können es aber erahnen. Sein jüngerer Sohn hat sich offiziell vom ihm losgesagt: Eigentlich kann er ja ein Erbe nur antreten wenn der Vater schon tot ist – und trotzdem er fordert er unverschämterweise 50% des Erbes statt den ihm eigentlich als Jüngeren zustehenderen geringeren Erbteil. Traditionellerweise erhielt der erstgeborene Sohn einen doppelt so großen Erbteil wie die anderen Kinder.

2) Der jüngere Sohn gerät in eine mitverschuldete Fastenzeit: Selbst Schweinefutter, eigentlich unverdaulich für Menschen, wird ihm in der Hungersnot verwehrt. So kehrt er ausgehungert nach Hause zurück. Sein Warten, sein „Zwangsfasten“ ist ein Ausharren – sicherlich ohne grosse Erwartungen, dass er wieder angenommen werden wird.

3) Der ältere Sohn ist schockiert über den überschwänglichen Empfang seines jüngeren. Er wartet vor der Tür, unschlüssig darüber, was er tun soll. Sein Warten kommt aus Verweigerung und Trotz. Auch er scheint keine klaren Erwartungen zu hegen; er hält inne und betritt das Haus nicht. Er muss erst einmal seine Wut verstehen, sie bändigen und ihr Ausdruck geben.

Drei Aspekte sind für mich hier besonders spannend:

1) Warten kann eine stille Hoffnung auf Versöhnung sein. Der Vater hat seinem verlorenen Sohn von Herzen vergeben. Diese Vergebung führt zu einer großen Freiheit: Der Vater ordnet sofort an, dass ein großes Fest gefeiert wird. Sein Ausharren und Hoffen hat ihn selber frei gemacht.

2) Warten kann ein verzweifeltes Warten und Fasten sein, wenn uns der Boden unter den Füssen weggezogen wird, wenn es bedrohlich wird und – wie im Falle des jüngeren Sohnes – das Überleben nicht gesichert ist. Dieses Warten führt bestenfalls weg von Verzweiflung und Schmerz – hin zu einer tiefen Einsicht über die eigenen Fehler. Es kann Umkehr bewirken.

3) Warten kann ein Innehalten sein im Moment des drohenden Chaos oder Konflikts. Der ältere Sohn geht nicht hinein ins Haus. Statt dessen verweilt er draussen und beginnt einen Streit. Es muss jemand auf ihn zukommen: Der Vater, dem er seine Empfindungen mitteilen kann. Warten, innehalten statt blind in einen Konflikt laufen – das kann auch ein Signal für andere sein und heissen, diesen die Möglichkeit zu geben, auf einen zuzukommen, wenn die Situation verfahren scheint.

In all diesen Fällen ist Warten keine abstrakte Idee, sondern eine aktive Handlung mitten im Leben. Im Angesicht von Zerbrochenheit in uns und in der Welt gilt es, innezuhalten, auszuharren, umzukehren und, getragen von Gott, zu hoffen. Wir dürfen in dieser Adventszeit, selbst im Arbeitsdruck, wieder Ausschau halten und hoffen auf eine neuen Begegnung mit dem eingeborenen Sohn Gottes: mit Jesus Christus, der mit uns in dieser Welt ausharrt und der mit uns alles Leiden teilen will, das vergangene wie das kommende.

Der Jazzmusiker Brian Blade, der die Geschichte des verlorenen Sohnes vertont hat, empfindet es als eine der zentralen Aufgaben des Musikers, seinen Zuhörern Heilung zu bringen. Heilung ist nur möglich, wo wir ausharren und warten können. Wo wir Vergebung üben und auf Aussöhnung hoffen wollen. Und wo wir schliesslich Zerbrochenes wahrnehmen und uns ihm zuwenden wie der Vater in der Geschichte vom verlorenen Sohn.

Tune In vom 11. Dezember 2013 | Text: Uwe und Lauren Steinmetz-Franklin